Ein Freudentränli bei jeder Ankunft in Holland & Vintage Liebe

Die Einkaufs-Reisen nach Holland gehören für mich mit zum schönsten Teil meiner Arbeit. Jedes Mal, wenn ich in Holland ankomme, werde ich ganz emotional. Meistens schnappe ich mir gleich nach meiner Ankunft einen «krentenbol met gouda en een chocomel» Beim Reinbeissen ins Rosinenbrötchen mit Gouda und einem Schluck «Schoggimilch», kommt dann die 1. Welle Sentiment – tausend freudige Kindheitserinnerungen stecken für mich in diesem Geschmack, und ich esse genüsslich mit einem Freudentränli. 
Da ich zum Einkaufen meistens in Amsterdam weile, kommt mich meine liebe Freundin Betty mit dem Auto abholen.
Dieses Ritual läuft dann so ab: Ich stehe auf dem Parkingdeck im Sektor Tulpe (es gibt noch Sektor Kühe, Sektor Klompen und Käse) «welkom in Nederland!» Betty fährt genau dann von zu Hause los, wenn ich gelandet bin. Mit nur Handgepäck haben wir berechnet, ist ihre Autobahnstrecke gleich lang wie die Flughafengänge zu Fuss zum Parking-Deck.

Während ich diesmal wartete, tauschten sich Sonne und Vollmond ab und ich hatte Zeit, dieses Oranje Natur-Spektakel in Ruhe in zu beobachten.

In Holland geht es nie lange, bis dich jemand auf eine lustige oder nette Weise anspricht. Dieses Mal war es eine Frau, die ihre Tochter bei Klompen, Kühen oder Käse suchte. Sie meinte zu mir: «Nou ja, daar sta je dan met je goede gedrag» und lachte herzlich. Das heisst übersetzt in etwa: «Ja, und da stehst du dann so wohlerzogen da.» Da kam die 2. Welle Holland-Emotion und ich musste von Herzen lachen.
Welkom in Nederland!

Dann kommt Betty um die Ecke gerauscht. Sie übergibt mir den Parkzettel, ich renne zum Bezahlautomaten – das Ziel ist es jedes Mal, möglichst unter einer bestimmten Zeit und zum Minimal-Betrag die Ausfahrt zu erreichen. Dann fahren wir direkt nach Bloemendaal ans Meer und essen in einem der coolen Strand-Cafés.

So beginnt jeweils meine Holland-Reise

Re-Use, Re-Duce, Re-Cycle

In den nächsten Tagen besuchen wir dann die Möbelhändler. Das sind meistens Hallen mit Schätzen, und ich muss ein paar Runden gehen, bevor ich mir einen ersten Überblick schaffen kann. Mittlerweile kann ich mich auf mein geschultes Auge und auf mein Gefühl verlassen. Wenn mein Blick immer wieder an einem Möbelstück hängen bleibt, dann weiss ich, dass dies in die engere Auswahl kommt.
Betty erstellt währenddessen eine Liste und behält das Budget im Auge – teamwork! Es ist nicht immer einfach, vor lauter Wald die Bäume zu sehen und sich dann fürs «Richtige» zu entscheiden. Im Wiedergebrauch alter Sachen sind die Holländer sehr innovativ. Im Haus meiner Eltern hatten wir einen grossen, alten Holz-Packtisch als Esstisch und Industrielampen als Beleuchtung. Diese Liebe zum Alten gehört für mich zu einem gemütlichen Zuhause.

Holz, Stahl, Leinen, Messing, Kupfer, Stein. Früher hatte man nur diese natürlichen Materialien zur Verfügung.
Früher war nicht alles besser, jedoch baute man mit einer nachhaltigeren Philosophie.
Es sollte ein Leben lang halten. Meistens überleben diese Unikate sogar mehrere Generationen.
«Holz läbt» hast du bestimmt auch schon gehört. Das heisst, Holz ist keine starre Materie, auch wenn es zu Riemen für einen Boden oder zu einem Möbel verarbeitet wurde.
Es entstehen Risse, breitere Fugen, es wölbt sich und es zieht sich wieder zusammen. Unbehandeltes Holz regeneriert nach einiger Zeit, entstandene Flecken verschwinden wie von Zauberhand.
Barfuss über einen Holzboden laufen ist ein wohlig warmes Gefühl.
Genau das gefällt mir.

Mich beeindruckt, dass die Schreiner wussten, welches Holz man zu welchem Zeitpunkt schlagen durfte, wie lange es gelagert werden sollte und welches Holz kaum Feuer fängt. Man konnte die Prozesse nicht abkürzen – es brauchte Zeit.
Mich beruhigt das alte Handwerk.
Mich berühren die von Hand erarbeiteten Details.
Mich erstaunt das Fachwissen, das die Handwerker damals angewandt haben.
Der Zyklus der Natur und der Mondstand wurden beim Prozess mit einbezogen.

Da wir Menschen mit feinen Sensoren unterwegs sind, bin ich überzeugt, dass Vintage- und Antik-Möbel eine andere Wirkung auf unser Wohlbefinden haben. Gedrechselte Tischbeine, geschmiedete Verzierungen, geschnitzte Details. Es ist energetisch einfach eine andere Geschichte, wenn jemand wochenlang von Hand an einem Möbel baut. Ich bin überzeugt, dass wir das spüren. Zugleich macht es mich «gwundrig», welche Geschichten darin verborgen liegen. Diese Einzelstücke verleihen dem Laden immer wieder einen neuen Look. Details bestimmen den Stil. Gerade in modernen Wohnungen ergänzen Vintage-Einzelteile das Interior und kreieren einen wunderbaren Kontrast.

Mittlerweile habe ich auch den «Mut», alte Baumaterialien für meine Interior-Projekte zu verwenden. Bei meinem Letzten Interior Projekt für das Weingut Sternen in Würenlingen, haben wir alte Steinwaschbecken, vintage Wasserhähnen und Möbel aus Eichenbalken eingebaut. Diese Arbeitsweise macht mich doppelt glücklich.
Re-Use, Re-Duce, Re-Cycle
Bei den Händlern kann ich auch direkt auf Kundenwünsche eingehen und schicke per whatsapp Fotos – dann kommt es oft schon in der Halle zum Verkauf.

Nach einem langen Einkaufstag gönnen wir uns jeweils ein feines Znacht im Resti. Dann folgt die ganze Logistik. Die Möbel werden in Holland gut verpackt und auf Palletten gebaut. Es braucht einige Dokumente und Angaben für den Transporteur und die Zollabwicklung an der Schweizer Grenze.

Wieder zu Hause angekommen, freue ich mich dann enorm auf das Auspacken der neuen Trouvaillen.
Das ist ein bisschen wie Weihnachten im Juni.

Nun stehen sie also wieder da, die schönen Vintage-Einzelteile.
Ihr könnt gerne schauen kommen!